Interview mit Ralf Fleischer, CEO Stadtsparkasse München und Dr. Bernd Hochberger, Mitglied des Vorstandes der Stadtsparkasse München, vom 4. Mai 2018

A21DIGITAL: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung?

Dr. Bernd Hochberger: Die interne Herausforderung ist, über die Digitalisierung Effizienzgewinne zu heben sowie extern, für die Kunden bestmögliche Dienstleistungen und Produkte anzubieten. Eingebettet in die herausfordernde Wettbewerbssituation eines Finanzdienstleistungsmarktes, der sich sehr dynamisch weiter entwickelt.

A21DIGITAL: Wie erkennen Sie Chancen für Ihr Unternehmen aus der Digitalisierung und welche Rolle spielen dabei die in Ihrer Branche „FinTechs“ genannten Start-ups?

Dr. Bernd Hochberger: Fintechs spielen eine große Rolle, da sie sich auf einzelne Teile der Wertschöpfungskette fokussieren und diese bestmöglich im Kundeninteresse optimieren. Dadurch, dass Fintechs Innovationen sehr schnell und am Kunden orientiert umsetzen, kommen sie in der Regel rasch zu guten Lösungen und treiben damit etablierten Institute, und damit auch uns, ein Stück weit vor sich her. Die positive Wirkung daran ist, dass uns FinTechs aufgrund ihrer Dynamik noch stärker dazu anhalten, schneller und besser zu werden.

Ralf Fleischer: Ich glaube, dass gerade Start-ups eine massive Bedeutung für den digitalen Innovationsprozess haben. Gerade in einer Zeit, in der die Ertragssituation für Banken aufgrund der Zinssituation angespannt ist, könnten wir uns als Stadtspar- kasse die personellen Ressourcen gar nicht leisten, um uns mit all den Themen der digitalen Transformation noch intensiver auseinander zu setzen. Hier können Start-ups sinnvolle Ergänzungen bieten. Um diese erkennen und entsprechende Prozesse begleiten zu können, hat die Sparkasse Finanzgruppe ein Innovationszentrum, den sogenannten S-Hub in Hamburg gegründet. Dort werden Ideen geprüft und bewertet und schließlich – alleine oder in Kooperationen – Produkte für die Gruppe erarbeitet, die den Sparkassenkunden digitale Lösungen mit Mehrwert bieten.

Neben der strukturierten und permanenten Analyse des Marktes durch unseren S-Hub pflegen auch wir intensive Kontakte zu Unternehmen aus der starken Start-up-Szene in der Metropolregion München. Immer wieder kommen FinTechs auf uns zu, um abzuklären, ob aktuelle Lösungsansätze interessant für uns oder die gesamte Sparkassengruppe sein könnten.
Dr. Bernd Hochberger: Regional arbeiten wir mit ausgewählten Start-ups zusammen. So gingen wir beispielsweise im letztem Monat eine Zusammenarbeit mit dem Münchner Start-up „Lunchit“ ein. Mit dem Service von Lunchit können unsere MitarbeiterInnen, die früher Essensbons erhielten, jetzt ihr Mittagessen mit einer App abrechnen. Dies ist nicht nur bequemer, sondern bietet auch ansonsten Vorteile, etwa bei der Abrechnung. Es muss niemand mehr Belege kontrollieren und händisch in Tüten packen. Alles erfolgt nun digital bis hin zur automatischen Überweisung auf das Mitarbeiterkonto. Durch diese Zusammenarbeit konnten wir unsere internen Abläufe optimieren und Mehrwert für die MitarbeiterInnen schaffen. Das hätten wir selbst nicht in dieser Form entwickeln können.
A21DIGITAL: Digitalisierung verändert Unternehmen nicht nur auf der technologischen Seite, sondern hat auch starke Auswirkungen auf die Mitarbeiterschaft. Beispiel Digital Divide. Wie geht Ihr Unternehmen damit um, insbesondere auch hinsichtlich der Förderung junger MitarbeiterInnen und der Qualifizierung älterer KollegInnen?
Dr. Bernd Hochberger: Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Es muss uns gelingen, MitarbeiterInnen bei diesem Prozess mitzunehmen. Für eine Vielzahl der digitalen Lösungen unserer Gruppe haben wir in der Schalterhalle ein sogenanntes „DigitalCenter“ eingerichtet. Eine Art Erlebnisparcours, der einen Tagesablauf unter Berücksichtigung der Möglichkeiten aus der digitalen Welt simuliert. Alle 2.500 MitarbeiterInnen unseres Unternehmens – einschließlich Vorstand – haben dieses Programm bereits durchlaufen. Dabei gibt es MitarbeiterInnen, die sich dabei eher langweilen, da sie schon alles kennen und in den Anwendungen bereits versiert sind. Andere wiederum lernen diese Angebote erstmals kennen. Und genau in dieser Spannbreite bewegen wir uns und versuchen über solche Aktivitäten diese ein Stück weit zu verkleinern. Das ist natürlich nur der erste Schritt von vielen weiteren, die noch folgen werden und müssen. Das zentrale Erfolgskriterium ist dabei das tatsächliche Erleben. Beispielsweise eine App auch tatsächlich anzuwenden und auszuprobieren.
Ralf Fleischer: Aus meinem Erleben stelle ich drei Gruppen fest. Die Einen, meist die jüngeren MitarbeiterInnen, die durch diesen Parcours gehen und sagen, dass wir noch viel mehr machen müssen. Denn sie kennen und nutzen das aktuelle Angebot bereits. Die zweite Gruppe findet das Angebot ausreichend. Und dann gibt es – wie bei allen Transformationsprozessen – auch eine dritte Gruppe, die diesen Produkten kritisch gegenüber steht und sie hinterfragt.
A21DIGITAL: Wie gehen Sie auf ältere MitarbeiterInnen zu, die sich mit dem digitalen Wandel tendenziell schwerer tun?
Dr. Bernd Hochberger: Es gibt immer noch eine Fülle von Tätigkeiten, die noch weitgehend analog stattfinden und wo der Grad der Digitalisierung noch nicht so weit fortgeschritten ist. Aber es werden zusehends weniger. Darauf müssen wir uns alle einstellen. In jedem Transformationsprozess wird es – wie Herr Fleischer schon sagte – ab einer bestimmten Größenordnung eines Unternehmens immer MitarbeiterInnen geben, die einzelnen Entwicklungen nicht so aufgeschlossen gegenüberstehen wie andere. Man wird immer versuchen müssen, mit allen MitarbeiterInnen bestmöglich zu arbeiten.
A21DIGITAL: Ich habe verstanden, dass auf der Produktebene der S-Hub in Hamburg den digitalen Innovationsprozess für Ihre Gruppe fördert. Auf der prozessualen Ebene gibt es vermutlich aber auch viele regionale Innovationen. Es sind ja oft die kleinen Schritte, die ein Unternehmen entscheidend weiterbringen. Wie fördern Sie das entsprechende Mindset Ihrer MitarbeiterInnen?
Dr. Bernd Hochberger: Wir haben mittlerweile fast im gesamten Haus die Systematik des „Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP)“ eingeführt. Diese aus der Automobilindustrie kommende Systematik berücksichtigt genau diesen Aspekt der Optimierung in kleinen Schritten. Natürlich reicht die Methodik alleine nicht aus. Es muss sich auch die Kultur verändern. Und wir müssen Ängste nehmen, sodass niemand befürchten muss, dass er durch Optimierungen am Ende seinen eigenen Arbeitsplatz wegrationalisiert. Diese Bedenken gibt es an der einen oder anderen Stelle. Wir müssen zu einer Veränderungskultur kommen, wie sie in vielen Industrien längst Standard ist. Wo permanente Optimierung bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Als eine weitere Maßnahme haben wir ein bereichsübergreifendes Digitalteam installiert, in welchem MitarbeiterInnen aus allen Bereichen zusammenarbeiten. Nicht nur Junge, sondern auch ältere KollegInnen arbeiten in diesem Team an digitalen Themen zusammen. Und das mit großer Euphorie. Beispielsweise haben wir für das bereits erwähnte „DigitalCenter“ in unserer Schalterhalle MitarbeiterInnen im Rahmen einer internen Ausschreibung gesucht, die am Abend Schulungen anbieten wollen. Es haben sich über 40 sogenannte „DigiCoaches“ gemeldet. Auch hier wiederum aus allen Altersgruppen.
A21DIGITAL: Das Thema Digitalisierung ist eng mit der Politik verknüpft. Gerade auch im Bereich Daten, wovon Sie als Bank reichlich davon haben. Welche Rahmenbe- dingungen erwarten Sie sich von der Politik?
Dr. Bernd Hochberger: Mit Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung in Kraft, die auch uns vor große Herausforderungen stellt. Als Bank legen wir schon seit jeher größten Wert auf das Thema Datenschutz. Unsere Kunden bauen ihr Vertrauen uns gegenüber unter anderem ja auch darauf auf, dass wir mit den uns anvertrauten Daten sorgfältig umgehen. Dass hier andere Unternehmen nicht immer so hohe Maßstäbe anlegen, beweisen entsprechende Nachrichten. Grundsätzlich ist das Thema Datenschutz eines, das uns als Sparkasse eher hilft und wofür uns Kunden auch schätzen. Ob man aber in allen Bereichen ein so hohes Maß an Regulierung braucht, sei dahingestellt.
A21DIGITAL: Beim Thema Daten kommt man zwangsläufig auch zum Thema von neuen Geschäftsfeldern durch die Nutzung von Daten. Wie schaut das in Ihrem Unternehmen aus?
Dr. Bernd Hochberger: Wir nutzen Daten, um unseren Kunden zu helfen. Wobei der Kunde auch weiß, was wir mit seinen Daten tun. Wir gehen damit transparent um. Daten an Dritte weiterzugeben, um sie dort verarbeiten zu lassen, wie das von anderen Unternehmen immer wieder in Medien berichtet wird, wäre eine Geschäfts- praktik, die für uns überhaupt nicht in Frage kommt. Darüber würden wir nicht einmal diskutieren. Aber es gibt Einsatzbereiche, wo der Kunde durchaus erwartet, dass er hilfreiche Hinweise erhält. Wenn es dem Kunden nützt, dann halte ich das für sinnvoll.
Ralf Fleischer: Wenn man dieses Thema globaler betrachtet, kann man den Eindruck gewinnen, dass hier mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Während in Europa stark reguliert wird, sind die Vorgaben auf anderen Kontinenten wesentlich liberaler. Uns als Sparkasse ist es beispielsweise nicht erlaubt, auf Basis von Kontoinformationen Kunden aktiv auf etwaige Angebote – etwa bei Versicherungen – anzusprechen. Auch wenn dies Nutzen für den Kunden brächte. Andererseits haben auf Basis der neuen EU-Regelung PSD2 externe Zahlungsdienstleister, die im Auftrag des Kunden handeln, die Möglichkeit, Kundendaten abzufragen.
Dr. Bernd Hochberger: Dies wird von der Politik mit dem Argument der Wettbewerbs- förderung begründet. Das halte ich für einen Irrglauben. Denn wer wird letztlich davon profitieren? Aus meiner Sicht eher nicht die kleinen Start-ups, sondern vermutlich große Konzerne, die auch über die technologischen Möglichkeiten verfügen, Daten in großem Umfang zu verarbeiten. Und die damit ihre ohnehin starke Stellung beim Thema Daten noch weiter ausbauen können.
A21DIGITAL: Thema Bildung. Was ist das Anforderungsprofil, dass sich die Münchner Stadtsparkasse heute von jungen Leuten erwartet?
Ralf Fleischer: Wir werden heuer erstmals nicht nur Bankkaufleute ausbilden, sondern alternativ dazu auch eine Ausbildung Kauffrau oder Kaufmann mit Spezialisierungen E-Commerce oder Digital Marketing anbieten. Weil wir erkannt haben, dass wir für digitale Herausforderungen viel mehr Spezialisierung in der Ausbildung brauchen werden. Daher werden wir ab sofort zusätzliche attraktive Fachausbildungen anbieten.
Bei der Basisausbildung in den Schulen müssen wir als Gesellschaft sicherstellen, dass junge Menschen eine zeitgemäße technologische Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekommen, um dort an den digitalen Basisqualifikationen arbeiten zu können. Die spannende Frage ist dabei natürlich, wer am Ende wen lehren wird. Denn obwohl ich glaube, bei digitalen Medien durchaus versiert zu sein, zeigen mir meine Kinder immer wieder Lösungen auf, wie man in Systemen mit weniger Schritten zum Ziel kommt. Ich befürchte, dass es hier einem großen Teil des Lehrkörpers nicht anders gehen wird und Jugendliche in der Systemanwendung viel weiter sind.
Dr. Bernd Hochberger: Ich sehe weniger ein Defizit bei der Anwendung digitaler Medien. Damit haben SchulabsolventInnen kein Problem. Bei Schreiben, Rechnen, Lesen sollte man hingegen nicht aufhören Wert darauf zu legen. Denn hier gibt es schon immer wieder mal Schwächen. Die fachliche Ausbildung ist eher die Aufgabe von Betrieben und weiterführenden Institutionen, wie Universitäten. Entscheidend ist, dass Schulen eine fundierte Basisausbildung bieten, auf die wir aufbauen können.
A21DIGITAL: Vieles, was wir heute tun, tun wir online. Was bieten Sie Kunden, die älter sind, die vielleicht überhaupt keinen Zugang zu digitalen Medien haben oder diese aufgrund von Bedenken nicht anwenden wollen?
Ralf Fleischer: Wir bieten älteren Kundengruppen spezielle Schulungen in unserem Digitalcenter an. Um ihnen über das Erleben die Scheu vor digitalen Angeboten zu nehmen. Bei der Zielgruppe der Senioren kommt das sehr gut an. Auch hier wieder das Thema Vertrauen: denn wenn Kunden neue Technologien von der Sparkasse gezeigt und erklärt werden, dann ist das etwas ganz anderes, als wenn sie von Dritten online damit konfrontiert würden. Trotz Schulungen bleibt aber dennoch eine nicht unerhebliche Zahl an Kunden, die entweder gar kein Smartphone besitzen oder Anwendungen aus bestimmten Gründen ablehnen. Für diese Kunden haben wir, da wir dies nicht mehr flächen- deckend in den Filialen anbieten können, eine sogenannte Direktfiliale gegründet. Damit haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass sie an einer Stelle anrufen können und wir dann die Dinge, die diese Kunden brauchen, zur Verfügung stellen. Indem es unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sie tun.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.